Sonntag, 7. August 2016
Amritsar und der goldene Tempel der Sikh
Amritsar ist die bedeutendste Stadt der Sikhs. Denn hier befindet sich der Goldene Tempel, die heiligste Stätte für die eigene indische Religionsgemeinschaft der Sikhs. Auf der Straße werden wir mehrmals von verschiedenen Männern angesprochen und nach einer kurzen Frage zu unserer Herkunft wird unmittbar gefragt, wie wir den Tempel fänden. Wir waren begeistert von der Tempelanlage und sagen, wie schön wir ihn finden. "Es ist auch dein Tempel. Es ist der Tempel für jedermann, unabhängig von der Religion, der Herkunft, der sozialen Stellung oder des Geschlechts". Sie sagen dies mit solcher Hingabe, dass man gerührt ist und sich erfreut, dass man Teil an dieser Pilgerstätte sein kann. Die Sikhs haben uns sehr beeindruckt. Es sind große Männer und Frauen, gehen aufrechter als die Hindus, tragen einen Turban (nur manche Frauen tragen auch einen Turban) und alle tragen einen Silberreif am Arm und einen Dolch an der Seite. Sie strahlen eine Ruhe aus, einen gewissen Stolz und wenn man sie anlächelt, lächeln sie freundlich zurück, auch wenn sie an sich immer eher ernst schauen.

Unser Tuk-Tuk-Fahrer lässt uns wegen einer Baustelle bereits mitten auf der Straße raus mit der Angabe, dass wir nur noch 40 Meter zu laufen hätten. Es stellte sich aber heraus, dass der Tempel noch viel weiter ist. Wir suchen im Tempel eine Pilgerunterkunft für Ausländer. Dort kann man eine bis drei Nächte umsonst übernachten (Spenden erwünscht). Wir gehen Richtung Tempeleingang. Ich trage keine Sonnenbrille und der weiße Marmor blendet meine Sicht. Es ist wahnsinnig heiß in dieser Wüstenregion. Das Gepäck ist schwer und der Schweiß liegt auf dem gesamten Körper und durchtränkt die Kleidung. Ich sehe nicht so recht wo wir hingehen. M. auch nicht. Und so passiert es, dass wir mit Schuhen die Schwelle zum Tempel betreten. Wir werden unmittelbar zurückgedrängt mit der Bitte die Schuhe auszuziehen und abzugeben. Wir torkeln zu ein paar Schaltern um nach der Unterkunft zu fragen und die Sikhs helfen uns und bringen uns zu der einfachen, trotzdem sehr einfachen Unterkunft, wo mehrere Betten nebeneinandergestellt sind und es ein gemeinsames Badezimmer ohne Toilette gibt (die ist draußen). Wir sind froh, dass wir aus der Hitze raus sind und duschen erst einmal.



Wir wollen unbedingt den Tempel sehen. Ich trage lange Kleidung und ein Tuch, so wie alle Frauen hier. Es sind die klassischen indischen Tücher, die man sich locker über den Kopf legt. Sie erweisen sich als die treusten Freunde: Sie schützen den Kopf vor der Sonne, die schützen einen vor unerwünschten Fotos (kommt selten vor, weil sie meistens höflich fragen) und sie dienen gleichzeitig als Schweißtuch oder Handtuch, wenn man mal sein Gesicht erfrischt hat. M. trägt seinen weißen Hut. Beim Eingang zum Tempel werden zunächst die Rucksäcke kontrolliert (meist auf Schuhe, denn die darf man ja nicht mitnehmen). M. wird unmittelbar angehalten und ihm wird gesagt, dass er die Sonnenbrille nicht tragen dürfe. Er nimmt diese ab. Dann hat ein Sikh ihm ein orangenes Tuch um den Kopf gebunden. Nun kam ein Junge zu ihm und sagte, er könne ruhig die Sonnenbrille tragen. Man durfte also Sonnenbrille tragen, aber nur wenn man eine entsprechende Kopfbedeckung vorweisen konnte.




Wir setzen uns zum Sonnenuntergang an den Tempel und lauschen den Gesängen der Priester, die im Übrigen auch in zahlreichen Fernsehprogrammen tagein und tagsaus übertragen werden und wir werden ruhig und still, gehen unseren Gedanken nach und erfreuen uns an diesem Ort zu sein, der in der Tat etwas heiliges hat.








Tausende an Menschen gehen jeden Tag ein und aus zu diesem Tempel. Der Tempel ist die ganze Nacht offen. Die Menschen können dort eine Nacht schlafen - die meisten schlafen auf dem Boden unter freiem Himmel, andere in Unterkünften- und sie essen auch dort. Das gemeinsame Essen ist eines der wichtigsten Rituale in dieser Pilgerstätte. Man geht in ein Haus, erhält einen Teller, einen Löffel und eine Schale für das Trinkwasser und man geht nach oben, stellt sich an, um anschließend in einen großen Raum zu gehen. Dort sind schmale lange Teppiche ausgelegt, auf die man sich im Schneidersitz setzt; den Teller stellt man vor sich auf den Boden. Schnell kommen die Sikhs mit Eimern und schütten kelleweise die verschiedenen Soßen in den Teller. Man hält dankend die Hände offen und es wird einem Brot in die offenen Hände geworfen. Sie sind schnell und rasen zwischen den Hunderten Menschen vorbei, füllen die Teller, füllen sie nach, bis wirklich jeder satt ist. Danach steht man auf, es wird hinter einem schnell geputzt bist die nächsten Pilger sich zum Essen setzen. Man geht wieder hinunter. Unten gibt man die Teller ab und man sieht hundert Menschen die Teller spülen. Es sind alles Freiwillige. Nebenan schälen duzend Freiwillige Zwiebeln und die Zwiebelschalen liegen auf dem Boden zerstreut. Es ist ein so optimales Management, das uns beeindruckt. Es ist unglaublich wie sie mit den Menschenmassen umgehen, wie sie das koordinieren (Tag und Nacht). Mir war bis jetzt nicht bewusst, wie komplex das Pilgermanagement sein kann. Das Essen ist im Übrigen umsonst. Es ist sehr einfach, aber es ist gut. Es wird in riesen Töpfen zubereitet. Spenden sind natürlich wichtig und es wird viel gespendet. Solche Sikh- Essen werden auch woanders umsonst angeboten. Wir hatten beispielsweise im Zug nach Chandigarh ein Essen umsonst erhalten.

Frauen, die die Trinkschalen auswaschen:


Kleidung und Bettwäsche werden in der Unterkunft auf dem Boden getrocknet:



Dann auch mal außerhalb der Tempelanlage - typische Bauarbeiten an der Stromversorgung

... link (2 Kommentare)   ... comment